Geierfonds werden die Flügel gestutzt
Die Investoren sind nach einem wenig sympathischen Vogel benannt: Geierfonds fallen wie Leichenfledderer über Schuldpapiere von Ländern mit großen finanziellen Problemen her, um aus den Überresten Geld zu machen. Ihnen will Belgien das Handwerk legen.
Den Journalisten im föderalen Parlament bot sich am Mittwoch ein ungewöhnliches Bild: Neun Parteien aus Mehrheit und Opposition hinterlegten einen gemeinsamen Gesetzesvorschlag. Eine Premiere, aber es wäre wohl naiv, diese „Union sacrée” als Zeichen der Befriedung in der Abgeordnetenkammer zu beurteilen. Die Mehrheitsformationen N-VA, MR, CD&V und Open VLD sowie die Oppositionsparteien PS, SP.A, Ecolo, Groen und CDH übten den Schulterschluss, um bessere rechtliche Voraussetzungen im Kampf gegen die sogenannten Geierfonds zu schaffen.
Bron: Grenz Echo
Diese abwertende Bezeichnung wird verwendet für Hedgefonds, die darauf spezialisiert sind, Wertpapiere problembeladener Emittenten wie Staaten in finanziellen Schwierigkeiten zum Spottpreis zu erwerben. Die Gläubiger treten die Schuldpapiere zu großen Abschlägen vom Nominalwert ab, weil sie davon ausgehen, dass sie das Geld ihrer Schuldner ohnehin nie mehr zurücksehen werden. Anschließend versuchen die Fonds, auf gerichtlichem Weg die Forderungen in Eigenkapital zu tauschen. Sie leben vom Wiederverkauf der Anteile, von Zinsen auf laufenden Forderungen oder von Arbitrage. Mit anderen Worten: Der Aasgeier stürzt sich auf Tierkadaver, um die letzten Fleischreste zu ergattern; der Geierfonds stürzt sich auf Schuldpapiere, um aus Überresten Einnahmen zu erzielen.
„Wir wollen diesen Geierfonds die Flügel stutzen”, sagte der Open-VLD-Abgeordnete Luk Van Biesen, neben Ahmed Laaouej (PS) einer der Initiatoren des Gesetzesvorschlags, gestern im Parlament. „Diese spekulativen Investitionen bringen keinen einzigen wirtschaftlichen Mehrwert ein – im Gegenteil: Sie schaden der Wirtschaft verwundbarer Länder”, so der flämische Liberale.
Belgien alleine kannden Kampf gegendie Geierfonds nicht gewinnen.
Vor allem Entwicklungsländer fallen den Leichenfledderern unter den Investierungsfonds zum Opfer. 2009 wurden afrikanische Staaten 49 Mal von Geierfonds attackiert. Jüngst zwang ein US-Richter Argentinien zur Zahlung von 1,3 Milliarden Dollar an zwei Geierfonds, was den lateinamerikanischen Staat an den Rand der Pleite brachte. „Geld von Staaten mit Finanzproblemen, aber auch von Geberländern, landet bei Geierfonds, anstatt dass es in die Menschen, die Wirtschaft und die Infrastruktur dieser Entwicklungsländer investiert wird. In einigen Fällen war auch die belgische Entwicklungszusammenarbeit schon Opfer solcher Fonds”, weiß Laaouej.
Mit dem neuen Gesetz, das gestern in der Kammer zur Verabschiedung hinterlegt wurde, sollen Richter die gesetzliche Möglichkeit erhalten, Geierfonds als solche zu identifizieren. „Es muss ein eindeutiges Missverhältnis zwischen den Beträgen des Kaufs und des Weiterverkaufs der Schulden bestehen. Ist dies der Fall, muss mindestens ein von sechs weiteren Kriterien erfüllt werden, wie beispielsweise die Frage, ob die Rückzahlung der Schulden die Entwicklung der Bevölkerung in Gefahr oder ob der Fonds seinen Sitz in einem Steuerparadies hat”, erläutert der PS-Abgeordnete. Die wichtigste Maßnahme aber besteht darin, dass ein Geierfonds vor einem belgischen Gericht nur den Preis zurückerhält, den er für die Investition gezahlt hat.
Im Kampf gegen Geierfonds leistet Belgien Pionierarbeit, doch sind sich die Initiatoren der gesetzlichen Regelung bewusst, dass unser Land das Problem der Geierfonds nicht alleine lösen kann. Es muss international angegangen werden. Die Fonds klagen gegen die Schuldner in mehreren Ländern gleichzeitig, bis sie zu ihrem Recht kommen.
Sie tun dies vor allem in Ländern mit einem angelsächsischen Rechtssystem.
Aus Brüssel berichtet Gerd Zeimers ■