Zweite Hürde wird wohl Endstation
Am Dienstag ist im Verfassungsprüfungsausschuss der Kammer der erste Schritt in Richtung eines Klimagesetzes geglückt. Aber die zweite Hürde am Donnerstag im Plenum des Abgeordnetenhauses dürfte auch schon die Endstation bedeuten.
Bron: Grenz Echo
Während draußen Klima-Aktivisten mit ihrem Protest gegen die „politische Blockade des Klimagesetzes“ den Druck auf die Parlamentarier aufrecht erhielten und die dieswöchige Schulschwänzer-Demo durch die Straßen der Hauptstadt von Donnerstag vorverlegt worden war (aber nur tausend Teilnehmer auf die Beine brachte), gab der Kammerausschuss mit neun gegen acht Stimmen grünes Licht für die Abänderung von Verfassungsartikel 7bis, die ein Klimagesetz überhaupt erst möglich macht. Der Staatsrat hatte in einem Gutachten das Gesetz als verfassungswidrig eingestuft, da es gegen die Aufteilung der Zuständigkeiten unter den Gebietskörperschaften verstößt.
Das Ja des Ausschusses war erwartet worden, ebenso wie die Gegenstimmen von N-VA und der Regierungsparteien Open VLD und CD&V. Während die frankofonen Fraktionen geschlossen mit Ja votierten, billigten auf flämischer Seite lediglich SP.A und Groen den Text, der dem Artikel 7bis der Verfassung einen Absatz hinzufügt. Dieser Abschnitt verpflichtet die Behörden zur Zusammenarbeit bei einer wirksamen Klimapolitik in Übereinstimmung mit den Zielen, Grundsätzen und Modalitäten, die in einem Sondergesetz – dem Klimagesetz – festgelegt sind.
Die erste Hürde genommen, kann der Text am Donnerstag dem Kammerplenum zur Abstimmung vorgelegt werden. Das dürfte aber schon die Endstation sein. Da es sich um eine Verfassungsänderung handelt, ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Im Ausschuss reichte eine einfache Mehrheit. Mit den Gegenstimmen von CD&V, Open VLD und N-VA, ergänzt durch Vlaams Belang und Vuye & Wouters, werden die Befürworter nicht die nötige Unterstützung im Plenum erhalten. Die Grünen wollten am Dienstag aber die Flinte noch nicht ins Korn werfen. Sie hofften, Open VLD und CD&V in den folgenden 48 Stunden umstimmen zu können.
Der Abstimmung im Ausschuss war eine kontrovers geführte Debatte vorausgegangen, die von einigen jungen Klima-Aktivisten wie der Initiatorin der Schülerkundgebungen in Belgien, Anuna De Wever, von der Zuschauertribüne aus aufmerksam verfolgt wurde. Die Parlamentarier, die das Klimagesetz und die Verfassungsänderung befürworten, richteten sich vor allem an CD&V und Open VLD. „Wollen Sie, dass wir in der nächsten Legislaturperiode an einem Klimagesetz arbeiten können, das von der nächsten Mehrheit entworfen und hoffentlich von der nächsten Opposition unterstützt wird?“ so Groen-Präsidentin Meyrem Almaci, die die beiden Parteien beschuldigte, bewusst Verwirrung über die Verfassungsänderung und das Klimagesetz gestiftet zu haben.
Open VLD will kein Rahmengesetz, sondern bevorzugt nach eigenen Angaben konkrete Maßnahmen zur Bewältigung der Klimaherausforderung. „Das Klimagesetz scheint auf dem Papier eine Lösung zu sein, aber das Engagement junger Menschen wird für politische und wahltaktische Zwecke missbraucht“, sagte Luk Van Biesen, der die Grünen beschuldigte, lieber mit den Kommunisten von PTB zusammenzuarbeiten und nie ernsthaft versucht zu haben, auf die Liberalen zu hören. Die N-VA ist überzeugt, dass das Klimagesetz „aktivistischen Richtern“ zu viel Macht geben wird und warnte, wie Open VLD, vor einer „Herrschaft der Richter“ („gouvernement des juges“). „Das Parlament kann schließen, und die Richter beschließen, ohne demokratische Kontrolle“, brachte es Van Biesen auf den Punkt. Es sei ein „symbolisches Dossier“, das das Klimaproblem nicht löst, sagen die Nationalisten.
„Wenn Belgien nicht einmal mehr in der Lage ist, die verschiedenen Regierungsebenen zu mobilisieren, um die international festgelegten und von allen Gebietskörperschaften ratifizierten Ziele zu erreichen, gibt es versteckte Absichten“, meinte Olivier Maingain (DéFI), der vor allem die N-VA ins Visier nahm: „Es gibt einige, die wohl nicht mehr zusammenarbeiten wollen.“ Wie Open VLD plädiert auch die CD&V für konkrete Lösungen „statt Symbole“. Die Christdemokraten befürworten Kooperationsvereinbarungen zwischen den Gebietskörperschaften. Es gebe andere Mittel als eine Verfassungsanpassung, um die Klimaziele zu erreichen. Die CD&V will Gesetzesanpassungen einreichen, die die Regionen zur Zusammenarbeit in der Klimapolitik verpflichten. Weigern sich die Regierungen, drohen Sanktionen.
Nun, ein Klimagesetz mit der Steilvorlage einer Verfassungsänderung scheint gestorben. Es sei denn, das nächste Parlament schafft es, Artikel 7bis anzupassen. Dafür muss dieser Artikel vor den Wahlen in eine von Kammer, Senat und Föderalregierung vereinbarte Erklärung zur Verfassungsrevision aufgenommen werden. Dafür gibt es aber momentan keinen Konsens. Generell stehen die Aussichten auf eine Liste revidierbarer Verfassungsartikel eher schlecht.
Aus Brüssel berichtet Gerd Zeimers ■